Variantenmanagement
Das Thema »Komplexitäts- und Variantenmanagement« ist eng mit der Automobilindustrie verbunden. Ihre Produkte haben in den letzten Jahrzehnten eine immer stärkere Personalisierung erfahren, gleichzeitig ist die technische Komplexität kontinuierlich gewachsen, sodass sich hier zuerst die Notwendigkeit ergab, die ausufernde Varianz in den Griff zu bekommen.
Dabei sind zwei Größen entscheidend: Zum einen die Vielzahl möglicher Varianten eines Bauteils, wie etwa eines Lenkrads, zum anderen die Menge der Fahrzeuge, in der jede einzelne Variante verbaut worden ist. Die Varianz hängt dabei essentiell von den angebotenen Ausstattungen ab – so können viele Systeme im Fahrzeug direkt vom Lenkrad aus gesteuert werden, also muss jede mögliche Kombination von Fahrassistenz- und Komfortsystemen bei der Entwicklung der notwendigen Lenkräder berücksichtigt werden. Dieses Beispiel ist natürlich stark vereinfacht und kann nur zur einer groben Illustration der deutlich komplexeren Realität dienen – aber auch dort kommt es darauf an, die Komplexität soweit zu vereinfachen, um sie beherrschen zu können...
Visualisierung durch Variantenbäume
Ein Variantenbaum ist eine im Variantenmanagement häufig zu findende Darstellung, um den Nutzen der einzelnen Varianten zu verdeutlichen. Analog zum bekannten Entscheidungsbaum verzweigt sich die Gesamtmenge (ganz links) durch aufeinander folgende Entscheidungen bis hin zu den einzelnen Varianten (ganz rechts). Die verschiedenen Ebenen des Baums entsprechen dabei den für die Teilevarianz maßgeblichen Ausstattungsoptionen. Ihre Reihenfolge ist grundsätzlich beliebig, die Ordnung der Baumebenen ist daher grundsätzlich frei wählbar.
Die Stärke der Äste im Baum ist – analog zum Sankey-Diagramm – proportional zur Anzahl der Fahrzeuge mit einer gewissen Ausstattung, sodass auf einen Blick die häufig vorkommenden Ausstattungen von seltenen unterscheidbar sind. Nicht vorkommende Varianten, so genannte »No-Runner«, können z.B. durch gestrichelte Linien dargestellt werden.
Ausstattungs-Varianten
Jede mögliche Kombination von Ausstattungen führt zu einem eindeutigen Pfad im Baum. Werden mehrere Ausstattungen von demselben Teil bedient, so taucht das Teil folglich auch mehrfach im Variantenbaum auf. Der Baum ist also ein Entscheidungsbaum – in jedem Feld steht genau ein Wert, so wie in jedem Fahrzeug pro Ebene nur eine Option gewählt werden kann. Im untenstehenden Beispiel gibt es eine Ausnahme in der letzten Zeile, in der ein No-Runner dargestellt wird. Da dieser eben gerade keine gewählte Ausstattungskombination darstellt, findet auch keine Auffächerung des Baums statt, sondern alle möglichen Bedingungen werden zusammengefasst und somit tauchen mehrere Ausstattungsvarianten im selben Feld auf.
Umgekehrt tauchen an einigen Kombinationen mehrere Teile auf – das zeigt mehrere Generationen von Teilen, bei denen die früheren Teile irgendwann abgekündigt und durch neue Teile ersetzt worden sind. Die Aufteilung erfolgt hier aufgrund der Eigenschaft »Zeitraum«. Diese taucht im Baum nicht als eigene Ebene auf, sondern ist durch Klick auf den Button erreichbar: Das rechts vom Baum gezeichnete Balkendiagramm wird durch ein Gantt-Diagramm ersetzt, in dem die Verbauhäufigkeiten pro einzelnem Zeiträume angegeben werden.
Teile-Varianten
Hier ändert sich die Betrachung: Die Varianz der Teile ist nun relevant, man möchte den Baum zum Zählen der unterschiedlichen Teile verwenden. Daher soll jedes Teil nur einmal im Variantenbaum auftauchen, unabhängig davon, wie viele verschiedene Konfigurationen von einem Teil bedient werden. Deckt ein Teil also mehrere Varianten ab, so erscheinen die dafür möglichen Konfigurationsmöglichkeiten in einem zusammengefassten Feld, analog zu dem No-Runner im ersten Beispiel. In untenstehendem Beispiel ist diese Zusammenfassung von Varianten bei dem Merkmal »Einparkhilfe« für die Varianten »Lenkrad 1«, »Lenkrad 2« und »Lenkrad 1 neu« zu sehen.